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Geschichte der Volkshochschule in Stendal

Einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Volkshochschulen in Deutschland hatte der dänische Volkserzieher, Theologe und Historiker Nikolai Frederik Severin Grundtvig (1793–1872). Nach seinen Vorstellungen entwickelten sich die skandinavischen Heimvolkshochschulen. Sie sahen ihre Aufgabe in der Vermittlung volkstümlicher Bildung. Die weltweit erste Volkshochschule wurde von Grundtvig 1844 in Schleswig eröffnet.
Zu den Vorläufern der Volkshochschulen in Deutschland zählen ebenfalls die Universitätsbewegungen im 19. Jahrhundert. Die erste deutsche Volkshochschule, die „Freie Hochschule Berlin“, wurde am 13. Januar 1902 eingerichtet und viele andere Volkshochschulen folgten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges.
Mit der Gründung der Weimarer Republik waren in Deutschland Voraussetzungen entstanden, um das bürgerliche Konzept der Volksbildung zu verwirklichen, denn die Weimarer Verfassung regelte erstmals in Artikel 148 die Belange der Erwachsenenbildung und Volkshochschulen für Deutschland. Die Weiterbildung erhielt damit  Verfassungsrang und wurde zum Bestandteil des öffentlichen Bildungssystems. Diese verfassungsrechtliche Aussage des Staates für lebenslanges Lernen – damals sprach man von Volksbildung – führte zu einer ersten großen Gründungswelle von Volkshochschulen.            
Die ersten Volkshochschulen in Deutschland wurden nach dem skandinavischen Vorbild mit dem Ziel gegründet, die breite Bevölkerung besser zu bilden, die zuvor von der Bildung weitgehend ausgeschlossen war.
Bis zum 1. Juni 1919 gab es in Deutschland 26 Volkshochschulen, Ende 1920 war die Anzahl auf über 90 angewachsen. Derzeit existieren bundesweit ca. 1000 Volkshochschulen.
Heute sind die Volkshochschulen der größte Anbieter von Weiterbildung in Deutschland. Sie arbeiten flächendeckend und in allen Weiterbildungsbereichen.

Volkshochschule Stendal 1919–1932

Die Volkshochschule Stendal wurde am 13. Oktober 1919 in der Knabenmittelschule in der Moltkestraße feierlich eröffnet. In diesem Jahr öffneten auch die Volkshochschulen in Magdeburg, Dessau, Halle, Sangerhausen, Aschersleben, Staßfurt, Quedlinburg, Köthen, Wittenberg ihre Pforten.
Die „Altmärkische Zeitung“ vom 14. Oktober 1919 berichtete, dass die Volkshochschule Stendal ihr Vortragsverzeichnis für das Winterhalbjahr 1919/1920 versendet hat. Die Volkshochschulkurse sollten der „Erweiterung und Vertiefung des Wissens und Könnens der Bevölkerung und der Einführung in das Verständnis der Gegenwart“ dienen. Ein wichtiges Ziel war außerdem „die geistige und kulturelle Erneuerung des deutschen Volkes“. Zu den ersten 26 Vortragsreihen haben sich  im Oktober 185 Teilnehmer angemeldet.            
Zu den erhaltenen Vorlesungsverzeichnissen aus dieser Zeit gehört das Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1925/26 vom 17. Oktober 1925.
Weitere Berichte über die Arbeit der Volkshochschule stammen aus dem Jahr 1928. Die Hoffnung, die breiten Schichten des Volkes zu erreichen, hatte sich leider nicht erfüllt. Aus diesem Grund nahm man sich vor, die weitere Arbeit nur in Form von Arbeitsgemeinschatten fortzuführen.

Volkshochschule Stendal 1933–1945

Die Volkshochschule wurde geschlossen.

Volkshochschule Stendal nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Idee der Volkshochschulen wiedergeboren. Die finanziellen und rechtlichen Grundlagen der VHS in dem Land Sachsen–Anhalt regelte der „Erlass über die Einrichtung von Volkshochschulen vom 16.04.1946“.
Am 13. Januar 1947 konnte in Stendal die erste Volkshochschule der Altmark eröffnet werden. An diesem Tag fand in der Aula der Winckelmannschule am Mönchskirchhof die erste öffentliche Hörerversammlung statt.
Der erste Leiter der damaligen Volkshochschule war Dr. Gerhard Glaser. Ihm folgten solche bewährten Pädagogen wie Studienrat Ralf Richter und Oberlehrerin Änne Pinzler, die wesentlich zum Aufbau der Volkshochschule beigetragen haben. Laut Dr. Glaser standen folgende Aufgaben im Mittelpunkt der Volkshochschularbeit: „Heute hat auch die Volkshochschule in erster Linie politische Aufgaben, und zwar die Erziehung der Teilnehmer im wahren demokratischen Sinne. (...) Ein neues Deutschland muss aufgebaut werden. (...) Aufgabe der neuen Volkshochschulen ist es nun, durch wirkliche Bildungsarbeit dazu beizutragen, wieder eine Brücke zu den Völkern der Welt zu schlagen und das Ansehen der deutschen Menschen, das bei allen Völkern durch den Nazismus vernichtet wurde, wieder zu heben.“
Hörer der VHS konnten alle Personen sein, die das 17. Lebensjahr erreicht haben. Damit jeder am Unterricht teilnehmen konnte, fand dieser in den Abendstunden statt. In den Monaten Januar–März 1947 gab es 25 Lehrgänge im Angebot.
Der Lehrplan der VHS umfasste folgende Bereiche: Naturwissenschaft, Mathematik, Philosophie, Literatur, Geschichte, Kunst, Gesellschaftswissenschaft, Volkswirtschaft, Betriebslehre, Biologie, Zeitungskunde, Sprachen.
In der ersten Zeit konnten keine Examina abgelegt werden und es gab keine Berechtigungen.
Mit Beginn der 50er Jahre wurden die Volkshochschulen staatlich verpflichtet, neben allgemeinbildenden Kursen mit der Berufs- und Weiterbildung zu beginnen. Im Laufe der Jahre erhielten die Volkshochschulen das Recht, Prüfungen abzunehmen und staatlich anerkannte Zeugnisse auszustellen.
Der zweite Bildungsweg entwickelte sich als die wichtigste Säule der damaligen Volkshochschule. An der Stendaler VHS konnte man die Abschlüsse der 8. und 10. Klasse nachholen und die Abiturprüfung ablegen.
Darüber hinaus waren noch weitere Kurse im Angebot wie: Stenografie und Maschinenschreiben; Sprachkurse, z.B. Russisch, Englisch, Polnisch, Tschechisch, Deutsch als Fremdsprache; Lehrgänge zur Vorbereitung auf das Fachschulstudium sowie kleine Vortragsreihen zu verschiedenen Themen.

Die Volkshochschule Stendal ab 1990

Nach der politischen Wende ist die Volkshochschule Stendal in eine städtische Einrichtung umgewandelt worden.
Es erfolgte eine Umstrukturierung der gesamten Arbeit der Volkshochschulen, der zweite Bildungsweg stand nicht mehr im Mittelpunkt. Es war nicht ganz einfach die neuen Strukturen zu übernehmen und zahlreiche Bereiche aufzubauen, die bisher an der VHS keine Rolle gespielt hatten.
Eine vielseitige Unterstützung, verbunden mit einem Erfahrungsaustausch, erhielt sie in der Anfangsphase durch die VHS Lemgo und die VHS Wolfsburg. Auch der Landesverband der Volkshochschulen Niedersachsens unterstützte 1991 die Stendaler VHS bei der Vorbereitung und Durchführung der ersten Zertifikatsprüfungen in den Kursen „Deutsch für Aussiedler“. In den Jahren 1991–2004 führte die Volkshochschule zahlreiche Kurse für Aussiedler und Spätaussiedler als Vollzeitmaßnahme des Arbeitsamtes durch.
Die Städtische Volkshochschule Stendal zählt gegenwärtig zu den 15 Volkshochschulen in Sachsen-Anhalt.
Seit 1919 bietet sie den Bürgern der Stadt ein breites Spektrum an Bildungsangeboten.
Die Städtische Volkshochschule entwickelte sich zu einer wichtigen Stätte des Wissenserwerbs, der Kommunikation und Begegnung, aber auch der sozialen Integration. Traditionelle Stärke ist das Sprachenangebot mit ca. zwölf Sprachen, die jedes Semester angeboten werden: Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Norwegisch, Schwedisch, Russisch, Polnisch, Latein, Arabisch, Japanisch, Deutsch als Fremdsprache. Der Sprachenunterricht ist orientiert am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. Zusätzlich werden europaweit anerkannte Zertifikate angeboten.

Durch ständige Aktualisierung unserer Hard- und Software ist es der VHS möglich, anspruchsvolle Kurse im EDV-Bereich anzubieten, um mit der Entwicklung der Branche Schritt zu halten.
Die erreichte Weiterbildungsdichte der Stendaler Volkshochschule (d.h. wie viele Unterrichtsstunden je 1000 Einwohner durchgeführt werden konnten) ist seit einigen Jahren sehr hoch und liegt weit über dem Landesdurchschnitt.
In Zeiten wachsender Integrationsanforderungen ist die Einrichtung nicht nur eine Stätte des Wissenserwerbs, sondern auch ein Ort der Kommunikation und Begegnung von Nationalitäten und Kulturen. Seit 2005 lernten hier innerhalb von ca. 75 Integrationskursen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 80 Ländern der Erde und legten den „Deutschtest für Zuwanderer“ oder andere Prüfungen ab. Stendaler, die in den letzten Jahren die VHS besuchten, konnten feststellen: Begegnungen mit Menschen und Themen aus anderen Kulturkreisen wirken gegenseitig befruchtend, tragen zur Weltoffenheit der Kommune und zur Integration von Zuwanderern bei.
Die Städtische Volkshochschule Stendal offeriert außerdem Kurse als Bildungsurlaub, Firmenschulungen, anerkannte Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrer, gesundheitsfördernde Angebote, interessante Veranstaltungsreihen und Vorträge in den Bereichen Geschichte, Kunst und Literatur.
Die Besucher erhalten insgesamt die Möglichkeit, Weiterbildung und Kreativität  zu verbinden, neue Energie zu tanken und zu lernen, wie man mit Freude leben und arbeiten kann.